„Oben bleiben!“

von Carsten Golbeck

 

 

Vera Landis, knapp 50, ehemals erfolgsverwöhnte Seriendarstellerin, hat noch 80 min bis zu ihrer Premiere „Die Überlebende der Titanic“. Ihr Bühnenpartner und Ex-Mann Tom Wittek glänzt mit Abwesenheit, stattdessen sitzt - bar jeder Erklärung - auf der Hinterbühne ihr Publikum, viel zu früh und auf der „falschen“ Seite, wie Vera bemerkt. Angesichts der Zuschauer kommt Vera nicht umhin, Bilanz zu ziehen: „Meinen Sie, nur weil ich immer glücklich bin, geht es mir gut?“

Die 80er, Hoffnungen, eine Zukunft und Hauptrollen, Vera sieht sich in der Pflicht, damit fertig werden zu müssen, alles gehabt zu haben und verfängt sich in immer offeneren Geständnissen über die Aufs und Abs der letzten Jahrzehnte, der Unterhaltungsindustrie, Sex, das Altern, – aber vor allem der wechselvollen Geschichte des Stückes  „Die Überlebende der Titanic“, das eigentlich an dem Tag, an dem die Mauer fiel, Premiere haben sollte.

Oben bleiben! wirft einen sarkastisch-ironischen Blick auf eine Gesellschaft, in der jeder darum kämpft oben zu bleiben - egal, welchen Preis es erfordert.

Es spielt Cathrin Bürger.

 

Mit dem Monolog „Oben bleiben!“ von Carsten Golbeck feierte Cathrin Bürger am Freitagabend in der Bühne 602 eine beeindruckende Premiere. Einmal mehr bediente die beliebte Schauspielerin das Gewohnheitsrecht ihres Publikums, das Bürger-Begehren mit einer anspruchsvollen Leistung abzurunden.

Wo Cathrin Bürger spielt, ist sowieso oben: In ihrem Anspruch und in der Erwartungshaltung der Zuschauer. Wahrscheinlich hat ihr Lebensgefährte und kongenialer künstlerischer Partner Manfred Gorr die Regiefäden geknüppert. Seine Handschrift wäre es in jedem Fall: Die Kulisse hinter der Bühne wird flankiert von einem Rollenbuch und einem Schminktisch. Dazwischen tummelt sich Cathrin Bürger und ruft permanent das Potenzial ihrer künstlerischen Klasse ab.

Cathrin Bürgers Offenbarung ist die Rolle einer Frau, die alle Facetten bedient: nachdenklich, gehässig, gereizt, melancholisch, aufbrausend, hysterisch, sinnierend, harmonisch. Das musste alles mal raus, bis der Vorhang fällt.

Am Ende einer grandiosen Vorstellung gratulierte das Compagnie-Urgestein Georg Haufler Cathrin Bürger mit inniger Umarmung. Diese Geste sagte mehr als tausend Worte.                                                                                                                                               

Andreas Golz                                                           Ostseezeitung

Fotos: Dirk Weinert